Kritisches Denken im Plural. Begriffliche Wege der Sozialforschung

Verantwortlich: Bernardo Bianchi, Denis Thouard

Co-Organisation: Frank Müller, Cannelle Gignoux

"Kritisches Denken im Plural" ist ein interdisziplinäres Forum, das die diversen Formen des zeitgenössischen kritischen Denkens einer Befragung unterzieht. Es bringt Forscher unterschiedlicher Disziplinen zusammen, um gemeinsam über konzeptuelle Quellen und hermeneutische Grundannahmen der Sozialforschung zu reflektieren.

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„Kritisches Denken im Plural" ist ein interdisziplinäres Forum, das die diversen Formen des zeitgenössischen kritischen Denkens einer Befragung unterzieht. Es bringt Forscher unterschiedlicher Disziplinen zusammen, um gemeinsam über konzeptuelle Quellen und hermeneutische Grundannahmen der Sozialforschung zu reflektieren. Gegenstand seiner Untersuchungen sind die vergangenen und heutigen Formen kritischen Denkens. Das Forum hat die Zielsetzung, eine Befragung über die Modalitäten einer Gesellschaftskritik zu entwickeln, die gleichermaßen die Perspektive der gesellschaftlichen Akteure, das Verhältnis der Sozialwissenschaften zur Normativität und die theoretischen Voraussetzungen der kritischen Methode berücksichtigt.

 

Einem weitem weiten Begriff der Kritik folgend widmet sich dieses Forum dem Studium der Übergänge zwischen Diskursen, Disziplinen und Sprachen. Eines seiner bevorzugten Felder ist dasjenige des deutsch-französischen Austauschs und der Geschichte der wechselseitigen Aneignung von Denkweisen und begrifflichen Werkzeugen auf den beiden Seiten des Rheins, aber auch der Missverständnisse, Deformierungen und Sinnverschiebungen. Es scheint uns fruchtbar, zeitgenössische Arbeiten in den verschiedenen disziplinären Feldern mit Reflexionen zu begleiten, die es ermöglichen, die jeweiligen Fragestellungen, Begriffe und theoretischen Paradigmen unter dem Gesichtspunkt des deutsch-französischen Austauschs zu betrachten, in dem sich diese oft herausgebildet haben. Um nur eine Beispiel zu nennen: Das Denken Nietzsches und Marx’ hat einen entscheidenden Einfluss auf französische Arbeiten der Jahre 1950-1990 ausgeübt, der weit über die Philosophie hinausgeht. Dieses Denken hat wiederum Wirkungen in Deutschland gehabt, die bis heute anhalten – man denke nur an das Schicksal des Werks von Michel Foucault, das zugleich die Politik- und Geschichtswissenschaft, die Soziologie und die Philosophie prägt.

Durch das Studium der vergangenen und gegenwärtigen Formen kritischer Gedanken im Plural will man zuerst über die Lesarten und Interpretationen der verschiedenen Theorien und konzeptionellen Geräte reflektieren.

In einem engeren Sinne der Kritik konzentrieren wir uns auf die verschiedenen Theorien, die sich auf die Gesellschaft beziehen sowie soziale Praktiken und Normen widerspiegeln. Die Philosophie ist hier besonders mit den Sozialwissenschaften verbunden. Gewiss haben Philosophie und Sozialwissenschaften ambivalente Beziehungen. Einerseits verdanken diese jenen oft ihre Leitbegriffe und ihre grundlegenden theoretischen Optionen, andererseits konstituierten sich die Sozialwissenschaften nicht nur aus der inneren Differenzierung zur Philosophie, sondern oft auch aus einer frontalen Opposition zu dieser. Diese Mehrdeutigkeit macht es ebenso schwierig, die Philosophie in die Sozialwissenschaften zu integrieren, wie diese aus ihnen auszuschließen. Darüber hinaus hat sich dieses ambivalente Verhältnis in Frankreich und Deutschland unterschiedlich entwickelt, nach Perspektiven, die im Laufe der Geschichte mehrfach gemischt wurden. Es ist dennoch fruchtbar, nicht nur die verschiedenen philosophischen, soziologischen, psychosoziologischen und politischen Ansätze zusammenzuführen, sondern auch die durch diesen Dialog aufgeworfenen erkenntnistheoretischen Probleme zu thematisieren: Zum Beispiel das Verhältnis zwischen den Urteilen und der üblichen Kritik an sozialen Akteure*innen, das innere Verhältnis, das die Sozialwissenschaften zur Normativität pflegen, und die theoretischen und philosophischen Annahmen einer Gesellschaftskritik.

Es ist daher willkürlich, beide Register vollständig trennen zu wollen und sich vorzustellen, dass man undurchlässige theoretische Grenzen zwischen dem Wissen von Gesellschaft und dem des Menschen ziehen kann. Tatsächlich gibt es viele Übergänge zwischen der Sprachordnung und den Themen, so dass sich die Vorteile interdisziplinärer Praktiken allmählich herauskristallisiert haben. Das Centre Marc Bloch illustriert seit seiner Gründung einen solchen interdisziplinären Ansatz. Dies begünstigt Ansätze, die auf großen Themen wie denen der Forschungsschwerpunkte basieren. In diesem Zusammenhang findet eine Reflexion der deutsch-französischen und metatheoretischen Dimensionen der beteiligten Diskurse ihren Platz. In einer komplexen theoretischen Landschaft ist es nicht möglich, sich auf regionale Epistemologien zu beschränken, sondern im Gegenteil, es ist vorteilhaft, einen Dialog der Epistemologien oder sogar wechselseitige Epistemologien zu fördern. In dieser Hinsicht ist die philosophische Aktualisierung ein Mittel der Übersetzbarkeit innerhalb der Sozialwissenschaften. Kritisches Denken im Plural bietet damit ein Forum für den Dialog zwischen den verschiedenen Ansätzen des Centre Marc Bloch.

Die von diesem Projekt hauptsächlich betroffene Bereiche sind unter anderem:

Feminismus

Sozialphilosophie

Kritische Theorie

Ökologie

Psychoanalyse

Postkoloniale Studien

Aufklärung

Die Frage nach Europa

Das Gesetz und seine Kritik

Geschichte: Epistemologie und Geschichtsphilosophie

Ästhetik

Pragmatismus