Katharina Fritsch | Assoziierte Forscherin

Ehemaliges Mitglied
Staat, Recht und politischer Konflikt
Centre Marc Bloch, Friedrichstraße 191, D-10117 Berlin
E-Mail: katharina.fritsch  ( at )  univie.ac.at Tel: +49(0) 30 / 20 93 70700

Mutterinstitut : Universität Wien | Position : postdoc Forscherin (Schrödinger Stipendiatin) | Fachbereich : Politikwissenschaft , Sozialwissenschaften |

Biographie

Katharina Fritsch studierte Internationale Entwicklung (BA) und Politikwissenschaft (Diplom) an der Universität Wien und promovierte mit Oktober 2018 an derselben in Vergleichender Politikwissenschaft. Seit April 2023 ist sie Schrödinger Stipendiatin (post-doc) und forscht zu Ausnahmezuständen, postkolonialen Machtverhältnissen und (Selbst-)Regierungsweisen von Protestakteur*innen in Frankreich (Cesdip/Gyancourt).

Von 2012-2014 war sie Teil des Postgraduate Lehrgangs „Sociology of Practices“ am Institut für Höhere Studien (IHS), Wien, sowie 2014-2017 wissenschaftliche Projektmitarbeiterin im Forschungsprojekt „Popular Culture in Translocal Spaces“, am Institut für Afrikawissenschaften (Universität Wien). Von 2019-2022 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsprojekt "Digitalizing Youth Politics" am Institut für Europapolitik und Demokratieforschung (Universität für Weiterbildung Krems). Weiter ist sie immer wieder als Lehrbeauftragte (Politikwissenschaften, Internationale Entwicklung, Afrikawissenschaften und Gender Studies) an der Universität Wien tätig. Ihre Forschungsinteressen sind postkoloniale Migration und Diaspora, Populärkultur, intersektionelle Machtverhältnisse, postkoloniales Frankreich, Ausnahmezustände und Protestbewegungen. Sie interessiert sich weiter für methodologische Fragen im Bereich feministischer und dekolonisierender Ansätze zu Forschung.

Stipendium

Depuis avril 2023 : bourse post-doctorale Schrödinger (FWF / Autriche)

Octobre 2012-Avril 2014 : Boursière de l'Institut d'études supérieures (IHS / Vienne), cours "Sociology of Practices".

Forschungsthema

Ausnahmezustände, postkoloniale Verhältnisse und (Selbst-)Regierung von Protest: Fokus auf den "anti-terroristischen" Ausnahmezustand in Frankreich (2015-17) und die Bewegungen gegen das Arbeitsgesetz (loi Khomri), die BLM-Bewegung "Comité et Justice pour Adama" und die Gilets Jaunes

Titel der Dissertation

„The Dispositive of Communitarisation: An Intersectional Analysis of Political and Cultural Mobilisations as Biopolitics. With a Focus on ‚Franco-Comorian diaspora’ in Marseille“

Zusammenfassung der Dissertation

In meiner Dissertation beschäftige ich mich mit Mobilisierungen ‚franko-komorischer Diaspora’ in Politik und Kultur in Marseille. Dabei fokussiere ich auf Mobilisierungen von ‚Community’ und auf die intersektionellen Machtverhältnisse die diese prägen. Theoretisch beziehe ich mich auf postkoloniale und intersektionelle Ansätze zu ‚Diaspora’, ‚Kultur’ und ‚Identität’, ein Foucault’sches Verständnis von Diskurs, Dispositiv und Biopolitik sowie performative Ansätze zu Subjektivierung. Basierend auf diesem theoretischen Ansatz, analysiere ich was ich als Dispositiv der Kommunitarisierung fasse, d.h. Prozesse von (Selbst-(Regierung) franko-komorischer Communities entlang von Diskursen, Praktiken, Institutionen und Subjektivierungsprozessen. Die jeweiligen (Selbst-)Regierungsprozesse werden entlang von drei Dimensionen – Räumen, Kulturmärkten und Politiken der Kommunitarisierung – analysiert.

Methodologisch fokussiert diese Dissertation auf kulturelle und politische Veranstaltungen, in denen ‚franko-komorische Community’ in Marseille mobilisiert wird. Ethnografischen Ansätzen folgend besteht mein Materialkorpus aus qualitativen Interviews mit in den Events involvierten Akteur*innen, Protokollen teilnehmender Beobachtungen sowie (audio-visuellen) Dokumenten der Events. Ein methodischer Fokus auf Veranstaltungen versteht die Forscherin als integralen Teil dieser, was Auseinandersetzung mit Fragen von Positionalitäten und Machtverhältnissen in postkolonialen Forschungskontexten mit sich bringt. Das empirische Material wurde entlang Dispositiv-bezogener Dimensionen –  beispielsweise Bedeutungen, Praktiken oder Identitätskategorien – kodiert und mit den drei analytischen Dimensionen des Dispositivs der Kommunitarisierung in Beziehung gesetzt. Die Analyse der Räume zeigt Assoziierungen franko-komorischer Communities mit bestimmten Räumen, konkret Marseille, den ‚Nördlichen Bezirken’ und ‚Veranstaltungssälen’, als das Resultat von Policies und Praktiken franko-komorischer Communities. Die Analyse von Kulturmärkten beschreibt die Musikrichtung twarab als diasporischen Kulturmarkt und die Talentshow Etoiles Rasmi als geprägt von Diskursen und Praktiken von ‚kulturellem Entrepreneurship’. Die Analyse von Politiken betont die Rolle ethnisierter Communities als politische Ressource für franko-komorische Politiker*innen. Alle drei Dimensionen deuten auf die Rolle der sozialen Kategorie ‚Ethnizität’ in Bezug auf Kommunitarisierungsprozesse hin, die sich wiederum entlang anderer sozialer Kategorien, vor allem Lokalität/Altersklassen, Klasse, Geschlecht und Generation, unterscheiden. Im Zuge der Arbeit argumentiere ich, dass Kommunitarisierungsprozesse einen Kontext von postkolonialem Frankreich reflektieren, in denen ethnisierte Communities als das ‚Andere’ einer ‚nationalen Community’ markiert sind. Die Dissertation trägt somit zu Debatten zu Biopolitik, Intersektionalität und Formen von (Selbst-)Regierung in postkolonialen Kontexten bei.

Institution der Dissertation
Institut für Politikwissenschaft (Universität Wien)
Betreuer
Univ.-Prof. Dr. Birgit Sauer
Projekte

"The état d’urgence in France and the othering of protest: A frame analysis of media and protest actors" (project im Rahmen eines Schrödinger Stipendiums des FWF/Österreich)

"The état d’urgence in France and the othering of protest: A frame analysis of media and protest actors"

Seit zwei Jahrzehnten prägen Ausnahmezustände die französische Politik. 2015 wurde als Folge von Terroranschlägen der „antiterroristische“ Ausnahmezustand ausgerufen, der bis 2017 anhielt.  Die politischen und rechtlichen Auswirkungen dieses Ausnahmezustands zeigen sich vornehmlich in strafrechtlichen Änderungen, steigendem antimuslimischen Rassismus und einem repressiveren Umgang mit Protest. Folglich war und ist ein breiteres Spektrum von Protestgruppen mit hartem polizeilichem Vorgehen konfrontiert, was sich in Debatten zu „Polizeigewalt“ während der Gelbwestenbewegung 2018/2019 zeigte. In meinem Projekt gehe ich der Frage nach den Effekten des anti-terroristischen Ausnahmezustandes auf Protest nach und argumentiere, dass dieser einen postkolonialen Kontext widerspiegelt. Dieser basiert nicht nur auf kolonialer Gesetzgebung, sondern reproduziert auch koloniale Bilder ethnisierter und rassifizierter „Anderer“ sowie koloniale Polizeipraktiken (z. B. Racial Profiling). Ausnahmezustände verschärfen postkoloniale Machtverhältnisse in Frankreich, beispielsweise in Form gewaltvolleren Vorgehens gegen nicht-weiße Bevölkerungsgruppen, aber auch durch die Ausweitung von kolonial geprägten Polizeipraktiken auf ein breiteres Protestspektrum.

Vor diesem Hintergrund interessiere ich mich für das Verhältnis von Ausnahmezuständen in westlichen Demokratien, postkolonialen Machtverhältnissen und der Regierung und Selbstregierung von Protest. Meine Analyse ist zweigeteilt und umfasst eine Medienanalyse und qualitative Interviews. Erstens analysiere ich Darstellungen von Protest im medialen Diskurs, um Mechanismen des Regierens zu erfassen. Zweitens interessiere ich mich für Selbst-Darstellungen von Protestierenden während und nach dem Ausnahmezustand (Selbstregierung).

Dafür beziehe ich mich auf Debatten zu Protest Policing und Versicherheitlichung sowie auf Debatten zu Ausnahmezuständen und Postkolonialismus. Von zentraler Bedeutung ist das Konzept des Othering, womit Prozesse der Markierung ethnisierter und rassisierter Gruppen als „Andere“ der Nation oder des Staates gefasst werden. Folglich konzeptualisiere ich den antiterroristischen Ausnahmezustand als ein postkoloniales „Dispositiv“, in dem Protestierende durch Othering regiert werden und sich selbst regieren. Obgleich der Ausweitung von Othering auf breitere Protestspektren, unterscheiden sich dessen Effekte je nach sozialen Kategorien wie Geschlecht, Klasse und/oder „Rasse“/Ethnizität. Daher konzentriere ich mich auf drei Bewegungen, die sich hinsichtlich ihrer politischen Ziele, Protestformen und Identitätspositionen von Protestierenden unterscheiden: die Bewegung gegen das Arbeitsgesetz, die Black-Lives-Matter-Bewegung „Wahrheit und Gerechtigkeit für Adama“ und die Gelbwesten. Durch die Beschäftigung mit Protestierenden und Bewegungen, die damals und teilweise jetzt aktiv sind, möchte ich die Auswirkungen des antiterroristischen Ausnahmezustands auf Protestbewegungen über sein offizielles Ende hinaus analysieren.

 

The Diaspora of the Comoros in France: Ethnicised Biopolitics and Communitarisation

15.Juli 2022

Katharina Fritsch

Monographie
Routledge African Studies
Edition: Routledge
Collection: Routledge African Studies
ISBN: 9780367627942

Based on an ethnographic study of mobilisations of the Comorian diaspora in Marseille during political and cultural events, the book examines communitarisation in relation to three thematic areas: spaces, cultural markets and local politics. Drawing on Foucault’s concept of the dispositif, the author analyses mobilisations of postcolonial diaspora as part of a dispositif of communitarisation, that is, a set of discourses, practices, institutions and subjectivations of diasporic community. The book will be of interest to scholars in the fields of critical diaspora studies, critical ethnography, discourse and dispositif analysis, postcolonial politics, and the African Diaspora.


Publikationen

Monographs

Fritsch, K. (2022): The Diaspora of the Comoros in France: Ethnicised Biopolitics and Communitarisation. Routledge African Studies Series, London: Routledge.

Fritsch, Katharina/Kretschmann, Andrea (2022): Politics of Exception. Criminalizing Activism in Western European Democracies, Veigh Weis, Valeria (ed.): Criminalization of Activism: Historical, Present and Future Perspective. London: Routledge. https://doi.org/10.4324/9781003144229-3.

Articles in journals and edited volumes (peer-reviewed)

Ajanović, Edma/Fritsch, Katharina/Zahorka, Florian (2021): Digital verbunden Formen politischer Partizipation von Jugendlichen in Niederösterreich, Momentum Quarterly - Zeitschrift für sozialen Fortschritt, 10: 66-84. https://doi.org/10.15203/momentumquarterly.vol10.no2.p66-84.

Fritsch, Katharina/Hamada Hamza, Mounir (2021): Komorische Kunst und Postkolonialismus: eine Dialog-Montage auf der Basis des Dokumentarfilmprojekts Histoires de Twarab à Marseille / L’art comorien et postcolonialisme: un dialogue-monté à partir d’un projet de documentaire intitulé « Histoires de Twara, Journal für Entwicklungspolitik (JEP) XXXVIII(1/2): 116-138. https://doi.org/10.20446/JEP-2414-3197-37-261.

Cakir, Alev/Fritsch, Katharina (2020): Ethnicised social mobility as self-governing among Franco-Comorian politicians in Marseille and türkiyeli entrepreneurs in Vienna, Ganser, Alexandra/Pelz, Annegret (eds.): Mobile Kulturen und Gesellschaften / Mobile Cultures and Societies, Göttingen: V&R Unipress, 105-127.

Fritsch, K. (2019): Kulturelle Mobilisierungen ‚franko-komorischer Diaspora’ in Marseille –Intersektionelle Verhandlungen, Stichproben. Wiener Zeitschrift für kritische Afrikastudien 19/36: 101-132. https://phaidra.univie.ac.at/view/o:116426.

Fritsch, Katharina (2017): ‘Trans-Skin’: Analyzing the practice of skin bleaching among middle-class women in Dar es Salaam, Ethnicities 17(6): 749-770. . https://doi.org/10.1177/1468796814565216.

Fritsch, Katharina (2013): Hautbleichen als dekolonisierende Praxis? Eine Anwendung des Performativitätskonzepts auf die Körperpraxis des Hautbleichens tansanischer Frauen. In: Hacker, Hanna//Fritsch, Katharina/Garde, Isabelle/Huber, Clemens/Klapeer, Christine (Hg.): Sexualitäten und Körperpolitik. JEP (Journal für Entwicklungspolitik), vol. XXIX(1), 70-89.

Fritsch, Katharina (2013): Sex und Körper: ‚Alte Themen’ in der Entwicklungsforschung? In: Hacker, Hanna/Fritsch, Katharina/Garde, Isabelle/Huber, Clemens/Klapeer, Christine (Hg.): Sexualitäten und Körperpolitik. JEP (Journal für Entwicklungspolitik), vol. XXIX(1): 4-11, zusammen mit Isabelle Garde, Hanna Hacker, Clemens Huber und Christine Klapeer.

Fritsch, Katharina (2013): Queer Entwickeln. Feministische und Postkoloniale Ansätze. In: Stichproben – Wiener Zeitschrift für kritische Afrikastudien, Heft 24: 126-133.

Articles in journals and edited volumes (non-peer reviewed), reports

Strukturen und Kontexte rechskonformen Polizeihandelns - Eine qualitative Untersuchung zur Rechtsbindung am Beispiel des Streifendienstes der Polizei Niedersachsen. Im Auftrag der Polizeiakademie Niedersachsen, von Andrea Kretschmann, unter Mitarbeit von Julia Böcker, Simon Egbert und Katharina Fritsch, 2022: file:///Users/fofoqueira/Downloads/Studie_Rechtsbindung_Kretschmann_2022-1.pdf.

Ajanović, Edma/Fritsch, Katharina (2022). Working Paper: (Self-)Representations of youth as political actors in Lower Austria. DED Working Paper Series, no 3. Krems: University for Continuing Education Krems.

Fritsch, Katharina (2013): Space Intruders — Analyzing Viennese squats from radical-democratic and biopolitical perspectives. In: Transversal multilingual 10/2011, zusammen mit Nicolas Schlitz.

Fritsch, Katharina (2013): Ge(t)räumte Räume. Wiener Besetzungsbewegungen aus biopolitischer Perspektive. In: Goll, Tobias/Keil, Daniel/Telios, Thomas (Hg.): Critical Matter. Diskussionen eines neuen Materialismus. Münster: Edition Assemblage, 259-271, zusammen mit Nicolas Schlitz.

Fritsch, Katharina (2012): Ein neues Schönheitsbild geht um ... Einblick in die Praktik des Hautbleichens von tansanischen Frauen. In: frauensolidarität, Heft 2, 2012: 26 f.

Fritsch, Katharina (2009): Mythos „Weißsein“. In: RAISON. Zeitschrift für gesellschaftliche Entwicklung. Nr. 3, 12: 2009, 60-64.

Editorship

Sexualitäten und Körperpolitik. In: Journal für Entwicklungspolitik (JEP), 2013, vol. XXIX(1), zusammen mit Hanna Hacker, Isabelle Garde, Clemens Huber und Christine Klapeer.

Filmography

Carvajal, Andrés/Hamada Hamza, Mounir/Fritsch, Katharina (2016): Histoires de Twarab à Marseille/Histories of Twarab in Marseilles. Marseille/Barcelona/Vienna, 74 min (HD / 16:9).